NÜRNBERG. Schule an sich kann herausfordernd genug sein. Wenn dann auch noch persönliche und familiäre Probleme dazukommen, ist besondere Hilfe nötig: In den Stütz- und Förderklassen kümmern sich die Stadtmission Nürnberg und das Sonderpädagogische Förderzentrum Paul-Moor-Schule um Kinder und Jugendliche, die momentan eine intensivere Betreuung brauchen, als es die Regelschule bieten kann, oder die den Schulbesuch sogar ganz verweigern. „Für manche ist das die letzte Chance. Doch am Ende schaffen es viele Kinder zurück in die Regelschule oder sogar bis zum Abschluss“, betonte Kai Stähler, Vorstandsvorsitzender der Stadtmission, bei der Feier zum 30. Geburtstag der Stütz- und Förderklassen.
Da ist zum Beispiel Leon (Name geändert). Seine Mutter ist heillos überfordert, der Vater psychisch krank. Der kleine Junge wird früh in Obhut genommen und von Heim zu Heim gereicht. Es fällt ihm schwer, Kontakte zu knüpfen und Vertrauen aufzubauen. Stattdessen eckt Leon regelmäßig an. Erst in den Stütz- und Förderklassen kommt er zur Ruhe. Leon schafft den Schulabschluss und hat, inzwischen 16 Jahre alt und im Berufsvorbereitungsjahr, eine geförderte Ausbildung in Reichweite.
Wenn Schule auf Jugendhilfe trifft
Dass Leons Leben diese glückliche Wende genommen hat, macht ein besonderes Modell möglich: In den Stütz- und Förderklassen des Sonderpädagogischen Förderzentrums Paul-Moor-Schule in Schafhof und der Außenstelle Buchenbühl trifft Schule auf Jugendhilfe: Sonderpädagogen*innen arbeiten mit Fachkräften der Jugendhilfe wie Sozialpädagogen*innen, Erziehern*innen oder heilpädagogischen Fachkräften Hand in Hand. Kleine Lerngruppen, feste Bezugspersonen und ein strukturierter Tagesablauf geben den Fünft- bis Achtklässlern Halt. Ergänzt wird der Unterricht durch kreative, sportliche und therapeutische Angebote sowie intensive Elternarbeit.
Ein Erfolgsmodell: Kinder ganzheitlich im Blick
Dieser auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder zugeschnittene Ansatz zeigt Wirkung: „Rund 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler können nach dem Besuch der Stütz- und Förderklassen wieder in die Regelschule zurückkehren“, sagte Guido Previderio, Einrichtungsleiter von Seiten der Stadtmission, bei der Jubiläumsveranstaltung. Dem kann Kai Stähler, Vorstandsvorsitzender der Stadtmission Nürnberg, nur beipflichten: „Die Stütz- und Förderklassen sind ein Erfolgsmodell, weil sie einem Ansatz folgen, der jedes Kind heilpädagogisch und ganzheitlich betrachtet.“
Stähler bedankte sich bei den Kooperationspartnern der Stadt Nürnberg und der Regierung von Mittelfranken und insbesondere der Paul-Moor-Schule für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. „Eine gute Kooperation auf Augenhöhe ist unerlässlich für das Gelingen. Im Sinne der Kinder wünsche ich uns genau das für die nächsten 30 Jahre.“
„Kontinuierliche Weiterentwicklung“
Auch Schulleiter Thomas Buchner drückte seinen Dank aus: „Besonders stolz bin ich auf die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Stütz- und Förderklassen, die im Laufe der Jahre immer mehr gewachsen sind und schließlich um zwei Klassen für Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf im Bereich Lernen sowie in der emotional-sozialen Entwicklung erweitert wurden.
Dieser Ausbau der Stütz- und Förderklassen wäre ohne das außergewöhnliche Engagement und die Fachkompetenz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt aber auch der Regierung, dem Jugendamt, der Stadt und natürlich der Stadtmission, die diesen Weg konstruktiv und verlässlich gemeinsam gestalten. Nur im Zusammenspiel aller Beteiligten kann es gelingen, Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf echte Perspektiven zu eröffnen.“
Die Stütz- und Förderklassen sind aus einer Heilpädagogischen Tagesstätte am Förderzentrum Merseburger Straße hervorgegangen, die 1995 gegründet
wurde. Erste Ansätze, Schule und Jugendhilfe enger zu verzahnen, wurden sukzessive ausgebaut – hin zu einem rhythmisierten Ganztagsangebot, das schulische Angebote mit heilpädagogischen Maßnahmen verbindet. Seit 1996 besteht ein Kooperationsvertrag, in dem sich das Jugendamt der Stadt Nürnberg, die Regierung von Mittelfranken, die Schulverwaltung der Stadt Nürnberg und die Stadtmission als Trägerin verpflichten, die Rahmenbedingungen für den Betrieb zu gewährleisten – der sogenannte E-Zug mit vier Lerngruppen entstand.
Heute stehen 56 Plätze zur Verfügung
Aufgrund der positiven Erfahrungen aus dieser engen Kooperation stellte die Regierung von Mittelfranken an die Verantwortlichen von Schule und Jugendhilfe die Anfrage, weitere Lerngruppen zu eröffnen. 2008 schließlich wurden die Stütz- und Förderklassen mit den Schwerpunkten sozial- und emotionale Entwicklung und Lernen an der Grund- und Mittelschule in Buchenbühl eröffnet. 2011 wurde die Heilpädagogische Tagesstätte am Förderzentrum Merseburger Straße in Stütz- und Förderklassen Oedenberger Straße umbenannt. 2014 zogen diese in den Neubau des Förderzentrums Paul-Moor-Schule ein.
Kai Stähler, Vorstandsvorsitzender der Stadtmission, würdigte das große Engagements des langjährigen Einrichtungsleiters von Seiten der Stadtmission, Thomas Weiß. „Thomas Weiß hat hier Pionierarbeit geleistet. Dafür gebührt ihm unser großer Dank.“
Schulverweigerung oder Mobbing: Immer neue Herausforderungen
Heute stehen 56 Plätze zur Verfügung – und die Nachfrage ist ungebrochen. „Unsere Klassen sind ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Guido Previderio von der Stadtmission. „Schulverweigerung, Mobbing in sozialen Medien oder Drogenprobleme – die Herausforderungen ändern sich, aber der Bedarf bleibt groß.“
Nürnbergs Schulreferentin Cornelia Trinkl würdigte die Arbeit der Stütz- und Förderklassen in einem Grußwort und überbrachte in Vertretung von Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König die Glückwünsche der Stadt. Stefanie Fuchs, Regierungsschuldirektorin bei der Regierung von Mittelfranken, lobte ebenfalls die erfolgreiche Verzahnung von Schule und Jugendhilfe. Bevor sich die Gäste in den Räumen der Stütz- und Förderklassen umschauen konnten, gab Prof. Dr. Thomas Müller vom Lehrstuhl Pädagogik bei Verhaltensstörungen an der Universität Würzburg noch einen inspirierenden, fachlichen Impuls.
Bild 1:
30 Jahre Stütz- und Förderklassen – ein starkes Netz: Die Gäste der Jubiläumsfeier konnten eine persönliche Botschaft hinterlassen.
Bild 2:
Klassenleiter Mario Harder macht seinen Schülerinnen und Schülern Kreativangebote – hier zum Beispiel ein Druck zum 30-jährigen Jubiläum.
Bild 3:
30 Jahre Stütz- und Förderklassen: Dieses Jubiläum feierten Nürnbergs Schulreferentin Cornelia Trinkl, Guido Previderio (Einrichtungsleiter von Seiten der Stadtmission), Thomas Buchner (Schulleiter Paul-Moor-Schule), Regierungsschuldirektorin Stefanie Fuchs sowie Kai Stähler, Vorstandsvorsitzender der Stadtmission Nürnberg (v. li.).
Bild 4:
30 Jahre Stütz- und Förderklassen: Dieses Jubiläum wurde mit zahlreichen Gästen in der Paul-Moor-Schule gefeiert.
Fotos: Alexander Reindl/Stadtmission Nürnberg
